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    Aus Opfersicht: Siglinde Kallnbach zu Mißbrauch und Vergewaltigung
    Performance in der katholischen Kirche St. Clemens, Köln-Mülheim, Ausstellung noch bis zum 23.07.23

    Manchen im Publikum wird der markerschütternde Schrei der Kölner Künstlerin Siglinde Kallnbach noch lange im Gedächtnis bleiben, mit dem sie ihre Performance am Altar der katholischen Kölner Kirche St. Clemes Kirche beendete. Am Sonntag, dem 25. Juni 2023 fand die letzte Eröffnung einer Ausstellung im „Kunstforum St. Clemens“ statt. 43 Jahre lang war das Kircheninnere mit zeitgenössischer Kunst bespielt wurden, und nun zum Abschluss der Projektreihe erstmals auch mit einer Performance.
    Siglinde Kallnbach hatte erst kürzlich in einem Interview (in der März 23-Ausgabe von „Politik und Kultur“ – Zeitschrift des Deutschen Kulturrats) zu ihrer eigene Posttraumtische Belastungsstörung (PTBS) Stellung genommen, die sie zuvor durch ihre PTBS-Performance in ihrer Ausstellung im Vonderau Museum Fulda (1.12.22 – 5.02.23) offen gelegt hatte (Video s. PTBS-Performance Siglinde Kallnbach, Mediathek Hessen). Die Ursache ihrer PTBS ist Freiheitsberaubung, Vergewaltigung pp., der Täter wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.
    Die Künstlerin beleuchtete den Begriff „Opfer“ in verschiedenen Facetten: „Das Opfer geht in die Ecke und schämt sich – und erstickt an all dem, was es nicht sagen kann.“ kam immer wieder in ihren Ausführungen vor. Eine „großartige Entscheidung“ nannte die Künstlerin das kürzlich erfolgte Gerichtsurteil, mit dem Gregor Menne 300.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Zahlen muss diese Summe das Erzbistum Köln für den jahrelangen fortwährenden Missbrauch, den Menne als Kind durch einen katholischen Geistlichen erfuhr. Mennes Anwalt hatte allerdings 700.000 Euro eingefordert. Das Gericht meinte jedoch, dass Menne später eine Familie gegründet und auch seinen Beruf ausgeübt hatte, mithin seinem Leben durchaus auch Plan und Richtung geben konnte. Deswegen zog das Gericht bei der Strafzumessung 400.000 Euro von der ursprünglichen Forderung ab. Kallnbach wollte keine Urteilsschelte üben, stellte in ihrer Performance aber die Frage: „Wie viele nicht sichtbare Ausnahmezustände mag es in Mennes Leben gegeben haben, wo man dem Tod näher war als dem Leben?“
    Sie fragte anhand von Beispielen nach Kriterien für Kompensationen von Leid und vergegenwärtigte anhand von Beispielen, dass die Parameter für Schuld und Sühne, für Rehabilitation und Heilung nicht einfach zu handhaben sind. Bei Machtmissbrauch, sexueller Gewalt und anderen Verbrechen ist es wichtig, sich Gehör zu verschaffen, über Medien und in den sozialen Medien Öffentlichkeit herzustellen. Wie geschehen in Fällen des Investmentbankers und verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein, des ebenfalls verurteilten Filmproduzenten Harvey Weinstein. Generell erfolgreich war diese Strategie bei der „metoo“-Bewegung und auch den massenhaften Übergriffen in der Kölner Silvesternacht 2025/16, wo erst eine kritische Berichterstattung dafür sorgte, dass solche Vorgänge heute nicht mehr verharmlost und unter den Teppich gekehrt werden können, sondern juristisch und politisch aufgearbeitet werden.
    Medienöffentlichkeit hat freilich auch eine Kehrseite: die Medien funktionieren nämlich nach eigenen Regeln und entwickelten eine Eigendynamik, über die dann die Betroffenen als Gast in einer Talkshow oder bei Interviews nicht mehr die Kontrolle behalten können. Oft überlagert Sensationsgier eine seriöse Auseinandersetzung. Der Tenor des Medienhypes kann sich rasch drehen, und um der Quoten- oder Auflagensteigerung willen wird das Opfer einer Straftat schließlich leicht zum zweiten Mal in eine Opferrolle gedrängt, diesmal als Projektionsfläche derjenigen, die sich gerne brachial in Shitstorms austoben. In vielen Gesellschaften passiert ein „victim blaming“ – eine Täter-Opfer-Umkehr, als ob das Opfer selber schuld an seinem Schicksal sei.
    Kritik übte die Künstlerin an „experimentierfreudigen Therapeuten und solchen, die sich dafür halten“ sowie an „ebensolchen Sozialarbeitern, „Forschern“ etc. etc., sogar manchen KünstlerInnen, die das Opfer erneut zum Objekt degradieren und es für eigene Zwecke benutzen, bevormundend und übergriffig sind statt Empowernment zu leisten. (Kallnbach).“
    Siglinde Kallnbach verwies auf die Theorie, dass Menschen, denen etwas angetan wurde, die z.B. vergewaltigt wurden, sich nicht gerne als „Opfer“ bezeichnen lassen wollen, weil dieser Begriff nur die Hilflosigkeit und Wehrlosigkeit zum Ausdruck bringen würde. Und nicht impliziert, dass die Person das Erlebte doch konstruktiv bewältigen kann, wie es das Gericht Gregor Menne attestierte. Mit ihrem Statement: „Die Opfer sind immer die Opfer: Nein! – The victim will always be the victim: No!“ berief sich die Künstlerin auf eine vergangene Performance, die sie im Zusammenhang mit der schleppenden Aufarbeitung des Missbrauchs im Erzbischofstum Köln zu einem früheren Zeitpunkt aufgeführt hatte. Den Schriftzug hatte sie auf einer kugelsicheren Weste aufgebracht, die sie während einer Walking-Performance im Umfeld des Doms und in der Kölner Altstadt trug. Der langanhaltende extreme Schrei, Schlussakkord ihrer Performance in der voll besetzten Kirche, entwickelte sich aus einem klaren „Nein“.

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    Begleitung der künstlerischen Arbeit von Siglinde Kallnbach, insbesondere ihres lebenslangen Projekts „a performancelife“ – Empathie und Solidarität

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    Aus Opfersicht zu Missbrauch und Vergewaltigung – Kunstperformance in katholischer Kölner Kirche

    veröffentlicht am 5. Juli 2023 in der Rubrik Allgemein
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